Wolkenstadt: Wetter – Lügen haben …

Flauschig fühlte sie sich, so konnte man das nennen. Erst einen Schritt, dann den nächsten. Diese Wolke war ja mal ein Traum von Wolke, wie eine Kissenschlacht-Explosion im Kopf – die nicht aus Federn, sondern aus reinster Zuckerwatte bestand! Die Stelle würde sie sich merken. Doch jetzt hieß es erst einmal: „Keine Gefahr!“ Schmetterlingsmädchen Martha spuckte gespielt auf den Boden, trat mit ihrem Fuß in den Steigbügel und schwang sich gekonnt auf die Schäfchenwolke. Die Sonne ging gerade wieder auf, leichte Honigtauschwaden zogen sich über den Himmelsboden. Hinter ihr kam Bewegung in die Armee des Guten. Millionen von Ameisen marschierten im Ungleichschritt, Schmetterlinge ritten auf ihren Schäfchenwolken, blau leuchtende Glühwürmchen zischten munter umher. Summ, Summ, Summ. Neben kräftig gähnenden Dreizack- und Blitzträgern hüpfte freudig eine „glückliche“ Fee. Diamantbären unterhielten sich aufgeregt mit Erdhörnchen im Spezial-Agenten-Status. „Wir hatten sie fast, wir hatten sie fast!!“, fluchte der Sheriff-Stern-Träger an der Spitze des Trupps grimmig. „Singular oder Plural?“, grinste ihn Schmetterlingskriegerin Sonja an. „Öööhm“, wurde ein Macho knallrot. „Los, wir müssen weiter“, befreite ihn Darfo aus der peinlichen Situation. Schon setzte sich auch sein Reittier in Bewegung – sie konnten wieder auf die Jagd nach den beiden fiesen Wetterfeen und der bösen Hexe gehen. „Wusstest du eigentlich, dass die Welt sich nicht wirklich dreht, sondern wir den Menschen damals die Gabe von Mathematik und Physik in den Kopf gesetzt haben, so dass sie denken, sie drehe sich?“, erklärten gerade Zeus und Poseidon dem Wissenschaftserdhörnchen Koschalski. Dieser holte sofort Stift und Block heraus und achtete sorgsam darauf, dass er nicht auf einen Ameisensoldaten trat. Alle größeren Lebewesen standen mittlerweile unter gesonderter Beobachtung der Ordnungsameisen. Alleine um diese drei herum bewegten sich knapp 2000 Ameisen, die längere Stöcke in den Händen hielten und damit die Körper berührten. Durch den dauernden Kontakt spürten die Mitläufer einfach mit jeder Bewegung, wie weit der Sicherheitsabstand zu ihnen war. Gerüchten zufolge sollte es bereits den ein oder anderen Schwerverletzten unter den Ameisen gegeben haben, nur weil die „Großen“ nicht darauf geachtet hatten, was die „Kleinen“ so machen, beziehungsweise wie es ihnen ging. „Und fällt am Fundament nur ein kleines Teil aus, so gerät das ganze Haus in Gefahr“, hatte der Ameisen-Anführer den Schmetterlingen erklärt. Natürlich hatten sie ihn unterstützt, dass er die Sicherheit aller garantiere. Schippa hatte gerade zur „glücklichen“ Fee aufgeschlossen. „Ich kann den Ozongeruch riechen, aber können wir nicht etwas machen, um schneller zu ihnen zu kommen?“, wollte er wissen. Der Big-Boss hatte die Erdhörnchen ja nicht umsonst hierher bestellt. Nur waren sie mittlerweile an einem Punkt angekommen, an dem sie nicht mehr wussten, wie sie diese Masse von Lebewesen schneller bewegen sollten. „Ich denke, da haben wir echt ein Problem“, sagte die Fee und sah, wie Darfo, Martha, Sonja und Johnny auf ihren Schäfchenwolken einen Halt machten. Wer war da neben ihnen? Um sie herum begannen gerade die Ausläufer einer weiteren Wolkensiedlung. Hier waren Vorgärten mit den schönsten Pusteblumenfarmen, dutzende Eisvögel hüpften umher. Im Hintergrund waren mehrstöckige Wolkenhäuser, und auf einigen Balkonen standen bereits Himmelsbewohner, die sie zu erkennen schienen. Ja, das war klar: Dort wehten Mädchen mit Fahnen, eine hatte sogar eine das Abbild eines Sheriff-Stern-Trägers drauf. „Platsch“, machte es, als er sich erkannte … und vor Freude ohnmächtig vom Sattel auf den Boden fiel. Aber wer war da bei ihnen? Der Fee rutschte das Herzchen in den Rock, als sie erkannte, mit welch „unschuldigen“ Wesen sie dort sprachen. Sie waren so interessant, dass Zeus und Poseidon sofort versuchten, in den Spiegelbildern des Dreizacks und des Blitzes zu schauen, ob die Frisuren richtig saßen, ob die Bärte auch ordentlich gestutzt waren. Der Grund des Schocks der „glücklichen“ Fee: Am Anfang der Armee des Guten sprachen die Schmetterlinge gerade … mit den einzig wahren Konkurrentinnen, die „glückliche“ Feen im Himmel hatten. Niemand anderes kam an ihre Schönheit heran – es waren „unschuldige“ Elfenmädchen. Hektisch, aber immer lächelnd, hüpfte sie an jeder einzelnen Ameise vorbei, um schnellstmöglich ihre Mitstreiterinnen zu erreichen. Was konnten sie schon diesen Abenteuern beisteuern? „Quaaak.“ „… Und dann habt ihr gesehen, wie sie auf einer schwarzen Wolke bösartig lachend an euch vorbeigeflogen sind?“, wollte Sonja gerade wissen. Als die „unschuldigen“ Elfenmädchen die „glückliche“ Fee sahen, rissen sie schockiert die Augen auf. „Sie ist hier? Eine von denen? Wir wollen mit!“, sagten die beiden Elfenmädchen sofort. Ziemlich verblüfft schauten Martha, Darfo und Sonja die zwei an. Das war aber ehrlich – und überraschend. „Wir müssen mit, wir dürfen der da nicht alles gönnen!“ Schon blickte die „glückliche“ Fee die Elfenmädchen an – und grinste. Die Sätze der Elfinnen klangen hart, jedes normale Märchenwesen hätte sofort gesagt: Alles klar, so nicht, ihr bleibt hier. „Sie können gar nicht anders, sie müssen sagen, was sie denken. Und sie können nicht lügen“, kicherte die Fee. Verzückt drehten sich Martha, Darfo und Sonja wieder um und schauten die „unschuldigen“ Elfenmädchen an. „Ist das wahr? Ihr könnt nicht lügen?“ „Nein“, senkten die beiden traurig ihren Kopf. Wie gerne hätten sie einmal in ihrem Leben gelogen. So wie alle anderen. Moment, dachte Sonja. Wenn sie immer das sagen müssen, was sie denken, warum war es dann so ruhig? Die Elfinnen schauten sie wieder mit ihrem Bernhardinerlächeln in den Gesichtchen an. Immer noch kein Wort. Auffällig war hingegen, dass ihre Flügel aus hellem Gold bestanden. Wasserstoffperoxid, alles klar. „Ladies“, unterbrach jetzt Erdhörnchen Schippa die drei attraktiven Frauen und reichte ihnen Regenschirme. „Ihr solltet entweder rein in die Häuser gehen … oder diese gleich nutzen.“ Erschrocken blickte Sonja hoch. Dann sah sie es: Am Horizont baute sich eine Gewitterfront auf, solch eine hatte hier oben noch niemand gesehen. Die Ameisenarmee buddelte bereits tiefe Löcher – ihr Fluchtinstinkt hatte sofort reagiert. Die meisten Diamantbären machten sich daran, die Siedlung zu erreichen, Zeus und Poseidon musterten interessiert das eindeutig „nicht natürliche Werk.“ „Respekt“, kams von Zeus. „Entstehungszeit und Annäherungsgeschwindigkeit – nicht so gut wie unsere, aber schon nicht ohne. Sie haben dazugelernt!“ Darfo, Sonja und Johnny blickten die Fee an, dann reflexartig den Anti-Beutel von Martha. „Schon wieder?“, umklammerte sie ihn schnell. „Öööh“, stöhnte sie deprimiert. Aber wenn man die Welt retten wollte … „Ich denke nicht, dass das jetzt hilft“, sagte nun eine fremde Stimme. Eine bekannte Stimme. Schockschwerenot. In dem Moment wachte Schmetterlingmacho Johnny wieder auf … und traute seinen Augen nicht. Er war im Paradies! Da waren zwei wundervolle Elfenmädchen, die „glückliche“ Fee – und eine Wetterfee! „Platsch“, lag er wieder ohnmächtig in den Wolken. Und „Platsch“ landeten die verbliebenen Diamantbären und Erdhörnchen, die Ameisen und Sonja auf dem Neuankömmling. Als der Wulst von Lebewesen sich wieder erhob – lag die Wettefeee gefesselt und geknebelt vor ihnen in den Wolken. „Und jetzt?“, wollte ein Elfenmädchen wissen. Ruhe. „Hmmpfbinhiör“, versuchte die Wetterfee zu sprechen. Martha schaute Darfo an, der Schippa und Reivate. Das kleinere Erdhörnchen ging nach vorne … und nahm ihr den Knebel aus dem Mund. Der Höllensturm war nicht mehr fern. „Ich bin hier … um euch zu warnen!“ „Glaub ich nicht!“ Ich auch nicht“, flutschte es den Elfenmädchen raus. Jeder wusste, wie böse die Wetterfeen waren. Und zusammen mit der Hexe hatten sie dafür gesorgt, dass es auf der Erde einen verlorenen Sommer gegeben hatte – und noch immer gab! Der Tritt traf sie folglich tief und fest in der Seite. „Lügenschl&%pe!!!“ Zufrieden drehte sich die Ameise um und ging wieder einen Schritt nach hinten. Das war allerdings noch nicht das Ende. „Was willst du wirklich?“, beugte sich Schippa jetzt nach vorne. „Du musst wissen, wir gehen davon aus, dass einer auf der Strecke bleibt, aber wir können auch foltern!“ Die Wetterfee schaute dem Erdhörnchen tief in die Augen. Hinter ihnen gingen Zeus und Poseidon auf den Höllensturm zu – und an ihrer Seite … Schmetterlingsmädchen Martha. Sie hatte vor dem Sturm mehr Angst als vor der Wetterfee. Und irgendwas in ihr sagte: Nur wenn die beiden Spielmannsleute wieder einen Schuss vom Regenbogen bekamen, nur dann, und wirklich nur dann, hatten sie eine Chance, hier nicht allesamt zu sterben. „Ich will euch sagen, dass der Sturm nicht echt ist“, sagte die Wetterfee. Sonja und Freako sahen, wie ein Wolkenhaus gerade durch die Luft gewirbelt wurde. Vor einigen Sekunden hatte es noch friedlich dort gestanden. „Lüge“, zischte Sonja. Blitze schossen nun wild umher, Donner erfüllte alles. Es ging los. Die ersten Regentropfen benetzten ihre Oberkörper. Erst einer, dann zwei, dann drei … goss es schon in Strömen. „Bäääääm“, schlug ein Blitz unter kräftigen Donner nicht weit von ihnen ein, brachte den Wolkenboden so ins Schwanken, dass eines der Elfenmädchen den Halt verlor … und auf die Wetterfee fiel. „Danke, das war angenehm und nett!“, sagte die Gefesselte freudestrahlend. Nun waren alle sprachlos – auch die Wetterfee. Sie hatte eigentlich „Autsch, du Kuh“ gedacht, es war aber das genaue Gegenteil herausgesprudelt. Die, die niemals lügen konnte, schaute die, die nie die Wahrheit sagte, an. Hatte sie das gerade ausgesprochen? Hatte sie das gerade wirklich gesagt, ihren Gedanken in verkehrtem Sinn ausgesprochen? Wissenschaftler Koschalski und Sonja blickten sich fragend an. Der Regen wurde immer heftiger, kräftiger Wind blies sie fast von der Stelle. Mit dem nächsten Blitz konnten sie sehen, wie das Elfenmädchen selber überrascht war, dass ihr Fluch, nicht lügen zu können, durch Körperkontakt unter Elfinnen und Feen anscheinend eine Wechselwirkung verursachte. Und noch etwas schien die Elfen-Feen-Berührung auszulösen: Bei einer Lüge wuchs nicht ihre Nase, sondern ihre Ohren! Zeit zum Überlegen blieb aber keine mehr. „Los, sprich“, standen nun gefühlte hunderttausend Ameisen auf ihren Beinen und Armen, hatten ihre Hüften in Position gebracht. „Du wirst brennen, wenn du nicht redest!!!!“ Die Fee spuckte giftig aus. Sie musste nur nachdenken, dann würde sie es schaffen. „Ihr werdet in der Hölle schmoren und wir werden auf euren Leibern tanzen“, dachte sie und sagte: „Ihr werdet das Paradies finden und wir werden euch um Entschuldigung bitten!“ Ihre Ohren wurden größer. Sonja, Koschalski und Schippa knurrten. Sie begriffen, dass der Verstand der Wetterfee gegen sie arbeitete. „Juhu, Jipiee“, jubelte sie jetzt – hunderttausende Ameisen erleichterten sich brennend auf ihr. Das Problem: Ihre Gedanken rasten. Was bei den Elfenmädchen weniger der Fall war, klappte bei ihr ganz gut. Nur bewirkte das Elfenmädchen auf ihr noch zusätzlich, zu ihrer Besorgnis, dass sie wirklich jeden einzelnen Gedanken aussprach, der ihr durch den Kopf schoss. In dieser Hektik, in diesem Stress, musste sich die Wetterfee enorm konzentrieren, auch ja das Gegenteil von dem zu denken, was sie eigentlich sagen wollte, um es verdreht auszusprechen. Ein Wirrwarr, ein Durcheinander. Und von außen preschten die Fragensteller immer weiter auf sie ein. Und sie antwortete: „Schön, ja, gut, toll, ich freue mich, bepinkelt mich mit Milliarden von Litern Ameisenurin, ich bin nicht hier, um euch in eine weitere Falle zu locken, herrlich, wunderbar, jaaaaaa, gebts mir!“ Wie bei einem Maschinengewehr prasselte es aus ihr heraus! Aber sie ermüdete – und sie vergaß bereits, was sie vorher gesagt hatte, sie wusste nicht mehr genau, was sie wie antworten musste, um „… niemals werde ich verraten, dass wir im Schlummerwummerlandtal …“, riss die böse Wetterfee die Augen auf. Sie hatte sich verhaspelt, sich versprochen. „Pling!!!“, leuchteten die Augen aller Verhörexperten des Guten nun auf, mit einem Mal verschwand der Sturm. Zeus und Poseidon schauten zutiefst deprimiert drein, als Schmetterlingsmädchen Martha den Beutel wieder verschloss und zu ihren Freunden zurückkehrte. Und dort musste sie beim Anblick der Wetterfee kichern: Sie sah eigentlich nur noch ihr Hinterteil, das wiederum hatte Ohren wie Dumbo und kurze Beine ……

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Diese Geschichte ist eine Vorgeschichte des Buches “Die Schmetterlinge und der verschwundene Sommer”. Hier im Blog entstanden, hat sie im Buch noch einmal eine fantastische Verwandlung erlebt! Nur noch rund 60 Prozent von dem, was hier steht, findet sich in dem Märchen-Abenteuer in der goldenen Himmelstadt wieder. Also einfach kaufen, lesen und begeistert sein!

 

Ein Märchen in der goldenen Himmelsstadt ist "Die Schmetterlinge und der verlorene Sommer".

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