… Archäologisches Nationalmuseum, 29. Dezember 2014. 2.16 Uhr (Ortszeit): Die vier Schwarzgekleideten standen vor den wichtigsten Kunstwerken der griechischen Geschichte. Mysteriös, geheimnisvoll, Hollywood-Agentfilm-Style. Sie hatten Lasersperren ausgeschaltet. Keine Alarmanlage der Welt war diesen Superagenten im Dienste der Menschheit gewachsen. Nur ihre Flügelchen, die schwarzverhüllt an ihren Seiten herausschauten, ließen erahnen, um wen es sich bei den Eindringlingen handelte. Aber ihre Identität war unwichtig. Sie hatten eine Mission: Griechenland retten! Für immer!! Und sie hatten einen Plan – Cecilia Giménez hatte es der Welt vorgemacht. Ihre Werkzeuge lagen bereit: Bohrmaschinen, Bandschleifer, Brecheisen, Presslufthammer, aber auch wasserfeste Wachsmaler und Buntstifte, unzerstörbare Farbmischungen, Lacke, die bis in alle Ewigkeiten halten würden – und nicht mehr von Menschenhand gelöst werden konnten. Und sie hatten nicht viel Zeit – das Museum mit rund 11.000 unbezahlbaren Objekten würde in wenigen Stunden wieder Besucher hereinlassen. Nur … dann würden sie staunen. Ganz wie im spanischen Borja.
Griechenland kann wieder Geld verdienen
Dort hatte Cecilia Giménez das Jesus-Fresko in der Kirche Iglesia del Santuario de la Misericordia eigenhändig „restauriert“. Die Welt lachte, sie nannten es Monchichi-Fresko oder auch „aufgeblähten Igel“. Ihr Werk war nicht mehr reparabel, es schien verloren. Nur: Einige Zeit danach entpuppte sich die Tat der 80-Jährigen, die Kirchengeld schonen wollte, als wahrer Glücksgriff. Borja litt genauso hart unter der Finanzkrise wie der Rest von Spanien. In der 5000 Einwohner zählenden Stadt waren mindestens 300 Arbeitsplätze gestrichen worden. Jetzt strömten Touristen aus aller Welt in die kleine Stadt. Mindestens 150.000 Besucher zählte die Gemeinde. Bei Hotels, Restaurants, Museen klingelten die Kassen in 2014, die Kirche nahm einen Euro Eintritt. Denn: Alle wollten das „neue“ Fresko sehen. Für vier Märchenwesen war nun klar, wie man mit der Methode ein gesamtes Land retten konnte. Und nun standen sie hier, die vier Schwarzmaskierten, mit Hang zur Zuckerwatte – im Archäologischen Nationalmuseum von Athen.
Im Sinne von Griechenland
Ihr Ziel: Sie würden allen Kunstwerken bis in die Antike ein neues Antlitz verleihen – phantastisch, märchenhaft, traumhaft. Einfach wunderschön! Und sie würden kommen, die Touristen, in Scharen. Das war klar. Der erste Retter von Griechenland setzte bereits an der Goldmaske des Agamemnon mit seiner Flex an, die zweite Retterin hatte ihre Stifte bereits an der Statue der Nikandre fixiert. Herzchen, Herzchen, Herzchen! Und auch Nummer drei (der Eindringlinge zum Wohle von Griechenland) war an der Marmorstatue des Poseidon startklar. Nur Nummer vier bekam an der Athena Lenormant Gewissensbisse. „Sollen wir das wirklich tun?“. „Ja, logo!!!“, riefen die anderen und wollten sofort beginnen. Im Sinne von Griechenland! Doch: „Haltet ein!“, schrie Nummer vier – mit Blick auf die Nike. Die Siegesgöttin. Schnell fummelte sie eine Münze heraus. „Bei Bild, ziehen wir es durch, bei Zahl, fliegen wir wieder heim!“ Hmmmm, grübelten die anderen, kamen für einen Moment (fast) zur Besinnung. „Okay“, kitzelte sie nun das Glückspiel. Das war ganz im Sinne der Griechen. Alles was die machten, kam ja sowieso eher einem Glückspiel gleich. „Okay“, brummelte Nummer vier ganz so, als würde sie wissen, was für einen Wert sie dort zerstören würden. Oder besser: aufwerten würden. „Okay, dann solle es so sein“, sagte sie – und schnippte die Münze in die Luft. Und sie drehte, und sie drehte, und sie drehte sich – bis sie klimpernd auf den Boden fiel, erst noch kreiselte, und kreiselte, und kreiselte … und dann auf dem Boden liegen blieb – und die Nike sie glücklich anblinzelte …