Im Dschungel auf Yucatán gibt es geheime Orte, die sollten Menschen nicht entdecken. Ein 15-jähriger Kanadier knackte jetzt den Maya-Code und fand eine sagenumwobene Stadt.
… Die Luft war feucht, warm, eher heiß. Affengeschrei ließ jedermann immer wieder aufschrecken, es raschelte hier, es knackte dort. Das war ein unheimlicher Ort. Dunkelgrüner Dschungel. Die Einheimischen erzählten sich seit Jahrhunderten untereinander, hier würden böse Geister ihr Unwesen treiben. Und wenn man sie reizte, würden sie die Neugeborenen mit in die Unterwelt nehmen. Niemand ging hier freiwillig hin, niemand wollte es wagen. Aber es waren Geräusche hier, die stammten nicht von der Tierwelt. Lediglich zwei Schlangen waren die Beobachter. Sie hatten sich in den großen Dschungel-Bäumen festgehakt, schauten nicht interessiert, aber auch nicht desinteressiert zu. Da Bogen sich wieder die Zweige … und stöhnend und ächzend flogen Schmetterlinge beladen mit Zuckerwatte, Schokolade, Paradiesäpfeln, Sternentalern und noch vielen, vielen frisch geernteten Süßigkeiten mehr heimlich von dannen. Sie wussten, kein Mensch würde sie hier je suchen. „Schneller, schneller, ich will den Blockbuster heute Abend sehen“, nörgelte eine sichtlich verschwitzte Nessie vom Loch Ness. Vor ihr bummelte der Weihnachtsmann herum. Er war sowas von langsam, das haste nicht gesehen. Und die Schlange war einfach riesig lang. Heute war Sweet-Maya-Day. Der hochheilige Erntetag der geheimen Geheimplantage der Märchenwesen. Der Tag wurde zwar jedes Jahr neu ausgewürfelt, aber dran halten mussten sich alle. Und es war ja auch nicht so, als dass nicht jeden Tag auf den geheimen Geheimplantagen geerntet werden konnte, nein, aber eine Regel war eine Regel. Und daran mussten sich Märchenwesen halten. Zumindest hier auf der Erde. Und zumindest so lange, bis niemand mehr Lust darauf hatte. Aber anstrengend war es schon. Gefühlte zehn Tonnen schleppte jedes Märchenwesen hier im Dschungel von Yucatán auf dem Rücken herum. Sie kamen alle die unsichtbare Treppe herauf und wanderten durch das Dschungeldickicht. Den einen piksten stachelige Pflanzen, den anderen neckten Affen oder sonstiges Getier, das nicht auf ihren Schwindel hereingefallen war. Vor knapp tausend Jahren hatten sie ihre geheime Geheimplantage hier angelegt, eine der größten auf der Erde – und sie hatten das Gerücht unter den Menschen gestreut, hier würde es abscheuliche Geisterwesen der alten Mayas geben. Und sie hatten es zum Glück geglaubt. So gut wie nie traute sich hier auch nur ein Mensch hin. Nur unter den Tieren hatte es sich ziemlich schnell herumgesprochen, dass es ein Märchenwesen-Fake war. Und noch besser: Ziemlich viele Tiere wussten, dass wenn die Märchenwesen der Erde Sweet-Maya-Day spielten, auch immer viel für sie abfiel. Martha, Darfo, Sonja, Johnny und alle die anderen packte so die Gier beim Ernten, dass sie sich viel zu viel aufluden … und über die Hälfte einfach auf den braunen Boden des Maya-Dschungels plumpste. Und da war ein Rascheln am Rand, das konnte so manch einem menschlichen Zweibeiner ordentlich Angst einjagen. Nicht selten fanden direkt, nur zwei, drei Zentimeter im Dickicht vom Weg entfernt, heftigste Kämpfe um die leckerste Zuckerwatte statt.
Den Maya-Code geknackt
Es klang dann so, als würden böse Geister Hunger leiden, sich schon selber anfallen und nur darauf warten, einen Menschen zu erwischen. Die Märchenwesen-Karawane hatten es nicht mehr weit. Auf die einen warteten ihre getarnten Raumschiffe, auf andere beispielsweise die Schlitten mit ihren Rentieren. Als Schmetterling Darfo um die Ecke auf die Lichtung einbog, standen dort klitschnass vor Schweiß Dasher, Dancer, Prancer, Vixen, Comet, Cupid, Donder und Blitz. Sie sahen den Weihnachtsmann – und zeigten deutlich ihren Unmut. Hau rein, alter Mann, hast du sie noch alle?? Dasher tippte sich mit dem Huf an den Kopf, Comet hielt ihm eine geballte Faust entgegen. Alter, hier sind 45 Grad Celsius und 110 Prozent Luftfeuchtigkeit. Wir leben am Nordpol, am Nordpooooool!!! „Uff“, ignorierte Santa Claus seine rebellierenden Rentiere, warf seinen gefüllten Sack in den Schlitten. Als es auf einmal passierte: „Piep, Piep, Piep“, schrillten überall die Alarmglocken. Zwei pink-grün-blaue Einhörner standen bereits an ihren Raumschiffen und winkten den Schmetterlingen aufgeregt zu. Dann zeigten sie zum Himmel. „Oh, mein Gott“, starrten sie alle nach oben. Dort kreisten gleich mehrere Drohnen. NASA stand darauf. Sekunden später wussten auch zwei Wildhornwedler, dass die Menschen ihre Satelitten auf sie ausgerichtet hatten. Panik brach aus. Martha, Darfo, Sonja und Johnny rannten in ihre Raumschiffe, andere schossen bereits mit knatternden Triebwerken in den Abendhimmel und verdünnisierten sich. Santa Claus bretterte wie verrückt über die Baumwipfel und eierte in den Nachthimmel, dem Mond entgegen davon, Sonja ließ die Rocket-Star-Duster-Engine an und gab ruckizucki Vollgas. Unzählige Feuerschweife erfüllten das Firmament. Einige tausend Kilometer entfernt schwelgte gerade ein kanadischer Junge in Stolz. Er hatte den Maya-Code geknackt und die von ihm benannte Stadt K’àak’ Chi’ gefunden. William Gadoury hieß der 15-Jährige. Er hatte die Theorie aufgestellt, dass die Mayas ihre Städte an Standorten nach Sternenbilder-Mustern errichtet hatten. Auf einer Karte markierte er 117 Städte und zog nach seiner Idee hin die Linien – und sie bestätigte sich. Es waren Sternenbilder! Aber: An einem Ort hätte eine Stadt sein sollen, an der keine war. Er schickte seine Informationen an die Canadian Space Agency – und die wiederum besorgte Satellitenaufnahmen aus den USA und Japan. Was gerade zu einer Massenpanik bei den Märchenwesen an ihrem Sweet-Maya-Day geführt hatte. William Gadoury hatte Erfolg – und fand die legendäre Geheimplantage Life-Love-Lollipop Maya IV der Märchenwesen. Oder auch K’àak’ Chi’, wie der Kanadier die fünftgrößte Maya-Stadt taufte …